Stellungnahme Landesverband zur ehrenamtlichen Bewährungshilfe in Schleswig-Holstein, 14.06.2004

1. Grundlagen der Stellungnahme
Der Schleswig-Holsteinische Verband für Straffälligen- und Bewährungshilfe vertritt z. Zt. 41 Einrichtungen im Lande. Zu ihnen gehören u. a. auch die LAG der hauptamtlichen Bewährungshelfer/innen sowie einige freie Träger, die mit dem Einsatz Ehrenamtlicher in der Straffälligenhilfe befasst sind. Grundlage dieser Stellungnahme sind Äußerungen der mit dem Thema befassten Verbandsmitglieder, außerdem bundesweite Recherchen mit Unterstützung des Fachverbandes DBH.

2. Allgemeines
Der Schleswig-Holsteinische Verband für Straffälligen- und Bewährungshilfe hält die Integration bürgerschaftlichen Engagements in die Maßnahmen der Straffälligenhilfe für ein erstrebenswertes Ziel. Die Einbindung auch und gerade fachfremder Bürger/innen in unsere Arbeit ist ein wichtiges Instrument, die Belange einer am Gedanken der Reintegration von Straffälligen in die Gesellschaft orientierten Straffälligenhilfe in breitere Kreise der Bevölkerung zu transportieren. Dies erscheint besonders wichtig angesichts einer wachsenden, medial inszenierten Desinformation über die faktische Bedrohung der Bevölkerung in Deutschland durch Straftaten und dem daraus resultierenden Wunsch nach härterer Bestrafung (Vgl. Pfeiffer, Christian, Das Böse, die Medien und wir, in: Schwarzes Kreuz Christliche Straffälligenhilfe aktuell 2/2004, 4-5).

In einer sich wandelnden Arbeitswelt wird es für Berufsein- und Umsteiger bzw. deren Arbeitgeber zudem immer interessanter, ein breiteres Persönlichkeitsprofil durch freiwillige Tätigkeiten vorweisen zu können. Bei der Möglichkeit, in der Bewährungshilfe ehrenamtlich tätig sein zu können, handelt es sich mithin nicht mehr allein um eine karitative Leistungserbringung gutwilliger Bürger/innen, sondern um ein Angebot, das den Interessen der Ehrenamtlichen selbst gleichermaßen dienen kann.

3. Ist-Zustand der ehrenamtlichen Bewährungshilfe in Schleswig-Holstein
Ehrenamtliche Bewährungshilfe findet in Schleswig-Holstein hauptsächlich im Landgerichtsbezirk Itzehoe statt. Alle Aktivitäten werden von der Richterin Lutz, Amtsgericht Elmshorn, koordiniert. Die hauptamtlichen Bewährungshelfer unterstützen die Arbeit von Frau Lutz punktuell nach Absprache. Es arbeiten hier z.Zt. ca. zehn Ehrenamtliche, die ausschließlich komplette Fallverantwortungen übernommen haben.

Im Landgerichtsbezirk Kiel gibt es z.Zt. drei ehrenamtliche Bewährungshelfer/innen, hier ausschließlich in Kiel selbst. Sie arbeiten sowohl mit kompletter Fallverantwortung als auch ergänzend zur Arbeit der Hauptamtlichen in Teilbereichen einzelner Fälle. Die Ehrenamtlichen sind aus den Schulungsmaßnahmen der Ev. Stadtmission Kiel für Freiwillige in der Straffälligenhilfe hervorgegangen. Zwei Bewährungshelfer/innen haben sich nach Gesprächen mit der Ev. Stadtmission im Rahmen ihrer Tätigkeit bereit erklärt, die Arbeit von ehrenamtlichen Bewährungshelfer/innen in Kiel zu koordinieren. Alle Dienststellen der Bewährungshilfe im Landgerichtsbezirk sind erklärtermaßen bereit, im Rahmen von § 8 BGG ehrenamtlichen Bewährungshelfer/innen Unterstützung, Beratung und Begleitung zu gewähren. Bei den gegenwärtigen Strukturen ist allerdings fraglich, ob der Einsatz von Ehrenamtlichen die Hauptamtlichen in der Bewährungshilfe entlastet oder eher eine zusätzliche Arbeitsbelastung schafft.

Im Landgerichtsbezirk Lübeck gibt es ohne eine fest geregelte Zuständigkeit sporadische Aktivitäten einer Ehrenamtlichen, die für die Bewährungshilfe Dolmetscherdienste leistet. Außerdem finden einige nachgehende ehrenamtliche Betreuungen von Probanden der Bewährungshilfe statt.

Im Landgerichtsbezirk Flensburg gibt es unseres Wissens z.Zt. keine ehrenamtliche Bewährungshilfe. Der Sprecherrat der LAG der Bewährungshelfer/innen unter Beteiligung aller Landgerichtsbezirke, bewertet die Bemühungen des Landesbeirats um ein landesweites Konzept zur ehrenamtlichen Bewährungshilfe jedoch positiv.

4. Beispiele für ehrenamtliche Bewährungshilfe außerhalb Schleswig-Holsteins
In unserem Nachbarland Österreich ist die " .. ehrenamtliche Betreuung ( .. ) seit den Anfängen der österreichischen Bewährungshilfe ein integraler Bestandteil ..." (www.neustart.at, 06.05.2004) der Arbeit, die von der Fa. Neustart geleistet wird. Im Jahre 2003 wurden in Österreich 26% aller Probanden ehrenamtlich betreut, mit einer Fallzahl von bis zu fünf pro Ehrenamtlicher/m.

In Deutschland ist die Förderung der ehrenamtlichen Bewährungshilfe u.a. in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz per Koalitionsvereinbarung erklärter politischer Wille.

Baden-Württemberg kann mittlerweile eine zahlenmäßig beeindruckende ehrenamtliche Bewährungshilfe vorweisen: In Stuttgart, Ravensburg und Karlsruhe betreuten im Jahre 2002 etwa 120 Ehrenamtliche ca. 150 Straffällige (Vgl. Höll, Hilde, Bürgerschaftliches Engagement in Bewährungshilfe und Zeugenbegleitung in Baden-Württemberg, in: BewHi 3/2003, 283-287, 286), hier allerdings ausschließlich als Unterstützung für Hauptamtliche und ohne eigene Fallverantwortung.

Ebenfalls im Jahre 2002 begannen die Aktivitäten eines Modellprojektes der Hessischen Landesregierung in Frankfurt, Hanau und Gießen. Hier waren laut Jahresbericht des Trägervereins "Förderung der Bewährungshilfe in Hessen e.V." bereits im ersten Jahr 40 Ehrenamtliche unter Anleitung einer hauptamtlich beschäftigten Sozialpädagogin bereit, Bewährungshilfe zu leisten .

Vor allem im Hinblick auf zu entwickelnde Standards (s.u.) für die ehrenamtliche Bewährungshilfe in Schleswig-Holstein kann von diesen funktionierenden Projekten gelernt werden.

5. Problemanzeigen in Schleswig-Holstein und Lösungsvorschläge

5.1 Grenzen der ehrenamtlichen Bewährungshilfe
Nicht nur für Schleswig-Holstein gilt, dass der Einsatz von Ehrenamtlichen in der Straffälligenhilfe nicht in jedem Bereich und nicht in jedem Fall sinnvoll ist. Für den Einsatz in der Bewährungshilfe bedarf es unter den Fachleuten gut abgestimmte Standards, die einerseits die Ehrenamtlichen selbst vor Überforderung schützen, andererseits den Probanden eine effektive und, wo nötig, professionelle Hilfe sichern. Solche Standards existieren landesweit bislang nicht, sie wären in einem Konzept zur ehrenamtlichen Bewährungshilfe zu formulieren.

5.2 Uneinheitlichkeit der Herangehensweisen
Für Schleswig-Holstein ist z.Zt. festzustellen, dass die Arbeit mit ehrenamtlichen Bewährungshelfern wesentlich an den Initiativen einzelner Mitarbeiter/innen aus der Richterschaft, aus der Bewährungshilfe oder von freien Trägern hängt. Entsprechend sind die Rahmenbedingungen der Arbeit von Ort zu Ort unterschiedlich geregelt und der Bestand der ehrenamtlichen Bewährungshilfe möglicherweise auch vom Verbleib der Initiatoren/innen auf ihrem jeweiligen Posten abhängig. Einzige Lösungsmöglichkeit für dieses Problem ist eine landesweit verbindliche Strukturierung der ehrenamtlichen Bewährungshilfe mit gesicherten Zuständigkeiten.

5.3 Bestellung von Ehrenamtlichen vs. Unterstützung von Hauptamtlichen
In der bisherigen Diskussion in Schleswig-Holstein ist die ehrenamtliche Bewährungshilfe v.a. im Hinblick auf eine komplette Fallverantwortung der Ehrenamtlichen hin geführt worden. Wie das Beispiel Itzehoe zeigt, kann die Bestellung von Ehrenamtlichen in ausgewählten Fällen zu erfolgreicher Arbeit führen. Im Hinblick auf kompliziertere Fälle wäre für ein Konzept der ehrenamtlichen Bewährungshilfe jedoch zu überlegen, ob nicht auch die Unterstützung hauptamtlicher Bewährungshelfer in bestimmten Segmenten einer Fallbearbeitung hilfreich sein kann. Zu denken wäre hier u.a. an eine bessere Verständigung mit fremdsprachigen Probanden durch Sprachkundige oder Hilfen bei der Entschuldung von Klienten durch z.B. Bankkaufleute. Möglicherweise würde eine solche unterstützende und in Zusammenarbeit mit einer hauptamtlichen Kraft angeleitete Tätigkeit mit vergleichsweise geringen Verpflichtungen auch die Anwerbung von ehrenamtlichen Bewährungshelfer/innen vereinfachen.

5.4 Anwerbung, Eignungsprüfung und Betreuung von Ehrenamtlichen
Vor allen anderen praktischen Fragen steht das Problem der Kontaktfindung zu potentiellen Ehrenamtlichen. Z.Zt. gibt es weder eine zentrale Anlaufstelle noch eine strukturierte Öffentlichkeitsarbeit für die ehrenamtliche Bewährungshilfe in Schleswig-Holstein. Sinnvoll wäre es, eine an die freiwillige ehrenamtliche Straffälligenhilfe angelehnte Öffentlichkeitsarbeit unter Nennung der Erreichbarkeit von feststehenden Kontaktpersonen zu installieren. Unabdingbar ist zudem die Formulierung von Kriterien für eine transparente Prüfung der Eignung von Kandidaten/innen bezogen auf die besonderen Erfordernisse der Bewährungshilfe. Hier ggf. differenziert nach unterstützenden Tätigkeiten bei Fallverantwortung von Hauptamtlichen und einer Bestellung mit kompletter Fallverantwortung. Vor dem Einsatz von Ehrenamtlichen in der Bewährungshilfe ist neben der Prüfung der persönlichen Eignung ebenfalls eine fachliche Schulung der Kandidaten/innen nötig. Ein auf die besonderen Belange der Bewährungshilfe zugeschnittenes Schulungsprogramm gibt es in Schleswig-Holstein bislang nicht, bestimmte Segmente der Schulung freiwilliger Helfer/innen in den JVAen sind allerdings übertragbar. Während der auf diese Maßnahmen folgenden Tätigkeit der Ehrenamtlichen in der Bewährungshilfe hat die bisherige Praxis gezeigt, dass ein hoher Bedarf an fachlicher Begleitung sowie persönlicher Supervision in Belastungssituationen zu befriedigen ist.

Diese Aufgaben können aufgrund der hohen Arbeitsbelastung kaum von Bewährungshelfer/innen im Rahmen ihrer jetzigen Tätigkeit mit übernommen werden. Allein die fachliche Betreuung von Ehrenamtlichen während ihres Einsatzes, v.a. wenn diese ergänzend zur hauptamtlichen Kraft arbeiten, ist von der Bewährungshilfe aus langfristig leistbar. Alle darüber hinausgehenden Aufgaben könnten innerhalb der hauptamtlichen Bewährungshilfe nur durch zusätzliche Stundenkontingente übernommen werden. Als Alternative bieten sich freie Träger an, die z. B. in Kiel und Lübeck bereits jetzt mit der Betreuung von Ehrenamtlichen in der Straffälligenhilfe befasst sind. Namentlich bei der Ev. Stadtmission Kiel und der Resohilfe Lübeck stellt sich neben den immerhin vorhandenen hilfreichen Rahmenbedingungen wie z.B. tägliche Erreichbarkeit, bestehende Öffentlichkeitsarbeit und regelmäßige Kursangebote jedoch ebenfalls das Problem der personellen Ressourcen. Der gegenwärtige Stellenschlüssel erlaubt eine fundierte Begleitung der ehrenamtlichen Straffälligenhilfe in den JVAen Kiel, Lübeck und Neumünster. Die Organisation, Schulung und Betreuung von mehr als sporadisch auftauchenden ehrenamtlichen Bewährungshelfer/innen wäre nur mit einem erhöhten Stundenkontingent leistbar. Für die Landgerichtsbezirke Flensburg und Itzehoe müsste die Anbindung an geeignete freie Träger vollkommen neu erarbeitet werden. Eine landesweite Koordination der ehrenamtlichen Bewährungshilfe wäre u.U. auch beim Schleswig-Holsteinischen Verband für Straffälligen- und Bewährungshilfe denkbar.

Über die Schaffung und die Finanzierung von professionellen Rahmenbedingungen für die ehrenamtliche Bewährungshilfe hinaus ist es unabdingbar, dass die aktiven Ehrenamtlichen die Sachkosten für ihre Tätigkeit erstattet bekommen und ihnen kostenfreie Möglichkeiten für den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen geboten werden.

6. Ausblick
Der Schleswig-Holsteinische Verband für Straffälligen- und Bewährungshilfe begrüßt die Initiative des Landesbeirats ein Konzept für die ehrenamtliche Bewährungshilfe in Schleswig-Holstein zu erarbeiten. Die hier kurz angerissenen Problemlagen und Lösungsvorschläge bitten wir, bei der Arbeit zu berücksichtigen. Sollte der Landesbeirat zu der Einschätzung gelangen, dass eine realistische Chance besteht, eine aus professioneller Sicht sinnvolle ehrenamtliche Bewährungshilfe landesweit zu installieren, sind sowohl die Geschäftsstelle des Landesverbandes als auch inhaltlich geforderte Mitgliedseinrichtungen bereit, sich aktiv an der Erarbeitung eines solchen Konzeptes zu beteiligen.