Stellungnahme zur Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE Mädchen und Frauen im Strafvollzug des Landes Schleswig-Holstein - Drucksache 17/2135 - (12.04.2012)

Die erwartete faktisch und statistisch in der Antwort umfangreich dargelegte geringe Zahl an inhaftierten Mädchen und Frauen kann, wie die durch die Fragesteller angeführten Studien festgestellt haben, dazu führen, dass die spezifische Problemlagen, die im Rahmen der Vollzugsgestaltung und Behandlung von Mädchen und Frauen zu beachten sind, nicht genügend berücksichtigt werden. Als spezifische Problemlagen werden in den Untersuchungen und in der Fachliteratur angeführt:

  • Mütter mit minderjährigen Kindern außerhalb oder innerhalb der Anstalt,

  • Familiäre Beziehungs- und Bindungsprobleme (Scheidung, Trennung, Abhängigkeit etc.),

  • Psychische und Gesundheitsprobleme, z. B. der erhöhte Anteil von Frauen mit depressiven Symptomen,
  • Erfahrungen mit Selbstmordversuchen, Gefährdungen bzgl. Selbstverletzungstendenzen,
  • Alkohol-/Drogen-/Medikamentenabhängigkeit,

  • Frühere Erfahrungen von Viktimisierungen (Gewalt, ggf. Kindesmisshandlung, Vergewaltigung) und Erniedrigungen und damit zusammenhängende Traumatisierungen,
  • Probleme bzgl. eines niedrigen Selbstwertgefühls,
  • Stigmatisatierungserfahrungen im Rahmen der Strafverfolgung,
  • Haftbedingte Probleme wie z. B. unzulängliche Unterbringungsbedingungen (beengte räumliche Situation, Überbelegung und andere Stressfaktoren, fehlende Aktivitäten, Arbeit, Ausbildung etc.),
  • Heimatferne Unterbringung und damit erschwerte Kontaktmöglichkeiten zu Familie und wichtigen Bezugspersonen.1

Die Antworten der Landesregierung zeigen, dass die Problemlagen von Mädchen und Frauen im Strafvollzug erkannt und in Schleswig-Holstein in der Ausgestaltung und Ausrichtung des Vollzuges berücksichtigt wurden. Die wesentlich größere Zahl durch Strafvollzug betroffener Mädchen und Frauen im Strafvollzug ist in der Anfrage leider nicht angesprochen worden. Sie sind zwar nicht in der JVA inhaftiert, jedoch als Angehörige und Partnerin mit den vielfältigen Problemlagen des Männervollzuges konfrontiert.

Als Ergänzung der Antworten kann angeführt werden, dass von der in Lübeck ansässigen Mitgliedsorganisation Rechtsfürsorge e.V. Resohilfe im Jahr 2011 durchgeführte Angebote auch durch inhaftierte Frauen2 in Anspruch genommen wurden: Alphabetisierung (1), Schuldnerberatung (9) Sozialberatung/IBS (6), Russisch-/polnischsprachige Beratung (8), Begleitung durch Ehrenamtliche (7).

Bedenklich stimmt, dass es nicht absehbar ist, ob und inwieweit Kürzungen in den zukünftigen Landeshaushalten die bereits begrenzten Arbeits- und Qualifizierungsmaßnahmen betreffen werden (S. 41). Arbeit und Qualifizierung ist auch für inhaftierte Mädchen und Frauen einer der wesentlichen Grundpfeiler für eine gelingende Resozialisierung und die Schaffung von Perspektiven nach der Haft.

1Dünkel, in: Internationales Handbuch der Kriminologie, Band 2, Berlin 2009, S. 208, 209.

2Anzahl der Teilnehmerinnen jeweils in Klammern.