Stellungnahme des Vorsitzenden des Landesverbandes Prof. Dr. Ostendorf zum Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft in Schleswig-Holstein
Gesetzesentwurf der Landesregierung – Drucks. 17/1255 und Änderungsantrag der Fraktion Bündnis ’90/Die Grünen – Drucks. 17/1322 zum Entwurf des UVollzG (05.05.2011)

Die nachfolgende Stellungnahme gebe ich als Leiter der Forschungsstelle für Jugendstrafrecht und Kriminalprävention sowie als Vorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Verbandes für soziale Strafrechtspflege; Straffälligen- und Opferhilfe ab.
Diese Stellungnahme bezieht sich insbesondere auf den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis ’90/Die Grünen. Zum Gesetzesentwurf der Landesregierung habe ich bereits am 14. Dezember 2010 unter Bezugnahme auf meine Stellungnahme vom 17. April 2009 zu dem in der vergangenen Legislaturperiode vorgelegten Entwurf Stellung bezogen. Auf diese Stellungnahmen beziehe ich mich zunächst erneut. Zu dem Änderungsantrag mache ich folgende Anmerkungen:
Zu Ziffer 1
  • Diese Ergänzung erscheint überflüssig, da die Erläuterung von Vollzugsmaßnahmen, die den U-Gefangenen unmittelbar betreffen, eine Selbstverständlichkeit darstellt. Vollzugsmaßnahmen, die sich an alle Gefangenen richten, werden notwendigerweise allen mitgeteilt.
Zu Ziffer 2
  • Diese Ergänzung, die zum Teil auch in anderen Landesgesetzen aufgeführt ist, erscheint sinnvoll, da die Suizidhäufigkeit im Vergleich zur Außenwelt deutlich höher liegt (s. Handbuch Jugendstrafvollzugsrecht, hrsg. v. Ostendorf, 2009, Vorbem. Rn. 25) und hier gerade in den ersten Tagen/Wochen eine besondere Fürsorgepflicht der Anstalt besteht.
Zu Ziffer 3
  • Auch diese Ergänzung erscheint sinnvoll angesichts der erhöhten Gewaltbereitschaft im Vollzugsalltag mit zum Teil gewalttätigen Exzessen.
Zu Ziffer 4
  • Diese Änderung soll wohl die sofortige ärztliche Untersuchung gewährleisten. Ob das Wort „umgehend“ insofern eine Verdeutlichung gegenüber „alsbald“ darstellt, erscheint fraglich. Sinnvoller wäre es, hier eine konkrete zeitliche Vorgabe aufzunehmen: Innerhalb von 24 Stunden (s. auch meine Stellungnahme vom 17.4.2009).
Zu Ziffer 5, 6a
Da die Ziffer 6 zweimal im Änderungsantrag auftaucht, habe ich meine Stellungnahme aufgesplittet auf Ziffer 6a und Ziffer 6b.
Diese Änderungen stellen nur eine sprachliche Andersformulierung dar. Hier wären inhaltliche Konkretisierungen sinnvoller:
  • Es sollte eine Höchstbegrenzung auf zwei Gefangene erfolgen, wie bei der Unterbringung junger Untersuchungsgefangener gem. § 70 Abs. 3 S. 5 Gesetzesentwurf der Landesregierung,
  • es sollte die Einschränkung „wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind“ ergänzt werden,
  • die gemeinsame Unterbringung „aus zwingenden Gründen“ sollte zeitlich auf maximal drei Tage begrenzt werden. (s. bereits meine Stellungnahme zu § 13 Abs. 1 vom 17.4.2009)
Zu Ziffer 6b
  • Der Zusatz erscheint entbehrlich, da keine allgemeine Kostenbeteiligung des U-Gefangenen vorgesehen ist (Ausnahmen: § 15 Abs. 6, § 22 Abs. 4 u. 5 Entwurf der Landesregierung).
Zu Ziffer 7
  • Diese Änderung wird unterstützt. Im früheren Gesetzesentwurf der Landesregierung war dieser Prozentsatz enthalten. Eine Schlechterstellung von U-Gefangenen gegenüber Strafgefangenen ist nicht nachvollziehbar. Gerade bei U-Gefangenen ergibt sich das Erfordernis, das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen (s. auch § 5 Abs. 1 Entwurf der Landesregierung); dies gebietet die Unschuldsvermutung.
Zu Ziffer 8
  • Auch diese Änderung wird begrüßt, da U-Gefangene häufig mittellos sind und ein fehlendes Angebot, Geld zu verdienen, ihnen nicht zum Nachteil gereichen darf.
Zu Ziffer 9
  • Die Erweiterung der Nichtüberwachung von Schreiben an Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie an die Aufsichtsbehörde erscheint sachgemäß.
Zu Ziffer 10
  • Über die von mir in der Stellungnahme vom 17.4.2009 vorgeschlagene Eingrenzung des § 44 Abs. 1 hinaus sollte auch diese Einschränkung aufgenommen werden.
Zu Ziffer 11
  • In der Tat ist der Wohngruppenvollzug für junge U-Gefangene ein Manko im Schleswig-Holsteinischen Gesetzesentwurf. In fast allen anderen Ländergesetzen ist dies eine Forderung. Die Höchstbegrenzung sollte bei 12 Gefangenen liegen. Zur inhaltlichen Ausgestaltung des Wohngruppenvollzugs verweise ich im Weiteren auf den Vorschlag des Berichts der Expertenkommission Jugendstrafvollzug vom August 2007.Die generelle Ausnahme der gemeinsamen Unterbringung während der ersten zwei Wochen (so § 70 Abs. 1 S. 2 Entwurf der Landesregierung sowie im Änderungsantrag § 70 Abs. 4) ist schon aus Gründen der Suizidprophylaxe (s. auch oben zu Ziffer 2) abzulehnen. Die Begründung im Gesetzesentwurf der Landesregierung (S. 98) „um der Anstalt zu ermöglichen, sich ein Bild von der Persönlichkeit neu aufgenommener, junger Untersuchungsgefangener zu machen“, ist schwerlich nachvollziehbar, da gerade bei gemeinsamer Unterbringung das Verhalten des jungen U-Gefangenen einsehbar und bewertbar ist

Prof. Dr. Heribert Ostendorf