Vortrag "Haftvermeidung mit Klebeeffekten"

auf der Fachtagung des Schleswig-Holsteinischen Verband für soziale Strafrechtspflege; Straffälligen- und Opferhilfe e.V. zum Thema „Wandelnde Rahmenbedingungen -Gestaltungsmöglichkeiten sozialer Strafrechtspflege“ am 13.11.2017 in Kiel  (06.12.2017)

Daniela Trncevic, Dipl. Sozialpädagogin (FH), Suchttherapeutin (HIGW), zertifizierte Auditorin für Dienstleistung (Tüv Rheinland)
Vorwerker Diakonie Vermittlungsstelle gemeinnützige Arbeit Moislinger Allee 11 a 23558 Lübeck Tel.: 0451 4002 57 440 Fax: 0451 4002 57449

Haftvermeidung mit Klebeeffekten

In Schleswig- Holstein gibt es in jedem Landgerichtsbezirk eine Vermittlungsstelle für die Vermittlung in gemeinnützige Arbeit zur Abwendung einer Ersatzfreiheitsstrafe, die in freier Trägerschaft ist, die nach einem trägerübergreifenden Qualitätskonzept arbeitet und beim Landesverband für freie Straffälligenhilfe in einem Arbeitskreis organisiert ist.

Die Vermittlung in gemeinnützige Arbeit zur Vollstreckung von Geldstrafen wurde in Schleswig- Holstein bereits Anfang 1990 an die ersten freien Träger vergeben. In den knapp 30 Jahren hat sich nicht nur das Verständnis von gemeinnütziger Arbeit gewandelt, sondern auch die Zahlen der Gestattungen zur Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit in Schleswig- Holstein und die Klienten.

Die gemeinnützige Arbeit zur Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafen ist bei dem Wandel eines delinquenten Lebensstils zur Unauffälligkeit von Bedeutung. Im Folgenden werden die wandelnden Rahmenbedingungen bei der Vermittlung in gemeinnützige Arbeit zur Abwendung von Ersatzfreiheitsstrafen dargestellt.

Die Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit polarisiert. Für die einen gilt die gemeinnützige Arbeit auch nach 70 Jahren immer noch als politisch vorbelastet, man bezweifelt ihre präventive Wirkung, behauptet, sie sei sozial ungerecht und würde nicht wie erwartet den Haushalt entlasten.

Für die anderen ist sie ein probates, pragmatisches und handlungsorientiertes Instrument der freien Straffälligenhilfe, um Menschen in prekären Lebenssituationen Alternativen zur Haft zu bieten

Den Vermittlungsstellen in Schleswig- Holstein ist es gelungen, die gemeinnützige Arbeit zu entstauben und auf moderne Füße zu stellen. Weg von der Vollstreckung nach dem Gießkannenprinzip, hin zu individuellen und ressourcenorientierten Bestandsaufnahmen aus denen paßgenaue Vermittlungen resultieren.

Die Vermittlungsstellen verstehen sich als Dienstleister, die bundesweit Vermittlungsaufträge entgegen nehmen und ausführen. Sie sind Arbeitsvermittler, die in Non- Profit- Organisationen vermitteln. Als hoch spezialisierte Teams arbeiten sie mit über 800 erfahrenen und krisenerprobten Beschäftigungsgebern in Schleswig- Holstein zusammen.

Die Vermittlungsstellen arbeiten kriminalpräventiv und entwickeln familienfreundliche Lösungen, die zur Haftvermeidung beitragen. Kinderbetreuung und Berufstätigkeit sind in der Regel ebenso wenig ein Ausschluß für die Vermittlung, wie psychische Erkrankungen, Obdachlosigkeit oder eine mehrfache Kombination der genannten Probleme.

Die Zahlen, die vom statistischen Bundesamt herausgegeben wurden, die aus den statistischen Jahrbüchern des Landes Schleswig- Holstein und vom Justizministerium stammen, beschreiben die Veränderungen in den letzten 6 Jahren bei den verhängten und bei den durch Haft vollstreckten Geldstrafen.

Es ist zu erkennen, dass 2011 in Schleswig- Holstein 13.211 Geldstrafen verhängt wurden. In 2015 gab es einen Einbruch um minus 1116 verhängte Geldstrafen (12.095) und 2016 stieg die Zahl der verhängten Geldstrafen deutlich um 429.

Geldstrafen

 

2011

2015

2016

Verhängte Geldstrafen

13.211

12.095

12.524

 

Tatsächlich haben in 2011 insgesamt 54 Personen die Ersatzfreiheitsstrafe abgesessen; in 2015 deutlich mehr, nämlich 74 und 2016 wurden wiederum 69 Personen wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe inhaftiert.

 

2011

2015

2016

Inhaftierte Geldstrafler

54

74

69

Ganz aktuell ist in Schleswig- Holstein mit dem Stichtag 31.10.2017 ein Mensch mehr wegen einer nicht abgewendeten Geldstrafe inhaftiert als 2016. Es ist zum Jahresende eine weitere Steigerung zu erwarten.

Gesamt

30.10.2017

Inhaftierte Geldstrafler

70

Je nach Anstalt:

 

Flensburg

2

Itzehoe

1

Kiel

35

Neumünster

4

Lübeck- Männer

22

Lübeck- Frauen

6

Jugendanstalt Schleswig

0

 

Die Zahlen der verhängten Geldstrafen steigen. Geldstrafen sind die am häufigsten verhängten Sanktionen. 2016wurden bundesweit gegen 1 Million 091.988 Personen Strafvollstreckungsverfahren eingeleitet, davon waren 597.000 Geldstrafen.

In Schleswig- Holstein wurden gegen 26.630 Personen Strafvollstreckungsverfahren eingeleitet, davon waren 13.489 Geldstrafen.

Dennoch stellt die Geldstrafe den vernachlässigten Teil der Strafjustiz dar. Laut Fachliteratur sowohl in der theoretischen als auch in der empirischen Forschung.

Die Vermittlungsstellen in Schleswig - Holstein behaupten, daß die Geldstrafen auch in der Praxis und in der Finanzierung vernachlässigt werden. Das liegt unserer Einschätzung nach daran, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, daß die Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit ein „Selbstgänger“ sei, ausgehend von einer einfachen Rechnung: eine Tat führt zu dem Urteil der Geldstrafe, die prompt bezahlt wird. Dem ist nicht so, denn der Wandel der Klienten zieht durch die einfache Rechnung einen Strich.

Noch vor 5 Jahren vermittelten die Vermittlungsstellen eine große Bandbreite an Klienten. Die Delikte waren so bunt, wie die Klienten. Es gab in der Regel jedoch einen gemeinsamen Nenner, der hieß „Geldprobleme“. Viele Klienten bezogen auch vor 5 Jahren schon staatliche Transferleistungen. In einem undramatischen Verhältnis hatten die Klienten über diesen gemeinsamen Nenner mal Wohnraumprobleme, waren mal suchtkrank, mal psychisch erkrankt oder waren mal alleinerziehend und mußten die Kinder ohne Unterstützungsangebote versorgen.

Heute sind die Problemlagen komplexer geworden.

Rückgängig sind die berufstätigen Verurteilten, die wegen Verschuldung keine Geldstrafe zahlen können, sowie die Klienten, die in geregelten Lebensverhältnissen leben und erstmalig mit dem Strafrecht in Verbindung geraten sind. Viele Klienten haben durch die gute Arbeitsmarktlage der letzten Jahre eine Beschäftigung gefunden oder in dem Prozeß „Desistance“ gelernt, unauffällig zu werden.

Es fallen jedoch weiterhin viele Klienten durch das Raster. Hierzu gehört die steigende Zahl jungerwachsener Menschen, die bislang keine Arbeitserfahrungen gemacht haben und diedurch Maßnahmen geschleust wurden, ohne Fuß gefaßt zu haben. Außerdem die Klienten, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder akut wohnungslos sind, sowie diejenigen, die sich selber verletzten, Wahnvorstellungen haben und/oder täglich Alkohol bzw. illegale Drogen beschaffen müssen.

Menschen, die mit den Aufgaben der alltäglichen Lebensbewältigung überfordert sind und Kompetenzen haben, mit denen sie aus dem Raster fallen und nicht gewollt werden, haben ebenfalls kaum eine Perspektive. Sie riechen bis stinken, haben keine Umgangsformen, aber eine kurze Zündschnur. Sie haben eine enorme Anspruchshaltung, die in keinem Verhältnis zur Realität steht.

Für die Berater in den Vermittlungsstellen, die täglich mit diesen Klienten und deren Verhalten zu tun haben, hat sich die Antwort auf die Frage nach Normalität sehr stark verändert.

Im Vermittlungsprozeß sollen die beschriebenen Klienten jedoch zu alltäglichen Arbeitgebern und in alltägliche Arbeitsprozesse eingegliedert werden und sei es nur für 20 Tage.

20 Tage, in denen es Kollegen gibt. Das alleine ist für eine Vielzahl von Klienten durchaus etwas bislang vollkommen Unbekanntes.

In diesen 20 Tagen erleben Klienten durchaus, daß es Kollegen gibt, denen die fehlende Körperhygiene auffällt. Sie fallen durch Gerüche, schmutzige Hände und Fingernägel, ungewaschene Haare, muffig riechende Kleidung auf. Das stellt für viele bereits eine Herausforderung dar. Sie erleben sich in Interaktion mit Anderen. Sie erfahren Rückmeldungen und durchaus kritische Hinweise auf ihre Körperhygiene und ihr Verhalten, denn diese Kollegen müssen sich selber an Regeln, Absprachen und Arbeitsaufträge halten, obwohl auch bei Ihnen privat die Hütte rockt. Klienten erleben, daß das kollegiale Verständnis für Sonderabsprachen sehr enge Grenzen hat.

Im Vermittlungsprozeß kommen unsere Klienten oftmals in Kontakt mit einer anderen Welt. Aber auch Kollegen in den Einsatzstellen/ Beschäftigungsgeber erleben Menschen aus einer anderen Welt. Verschiedene Werte und Normen prallen aufeinander. Das kann bereichernd sein aber auch zum sofortigen Abbruch führen. Dieser Abbruch kann durch den Klienten einerseits oder aber auch durch die Einsatzstelle/ Beschäftigungsgeber andererseits erfolgen.

Denn auch in/bei den Einsatzstellen/ Beschäftigungsgebern wird das Personal knapper und die Arbeit verdichtet sich. Eine begleitende Betreuung der Verurteilten kann immer seltener von den dortigen MitarbeiterInnen geleistet werden. Deren Bereitschaft Klienten zu beschäftigen, ist bis heute ausschließlich freiwillig und somit ehrenamtlich!

Wir müssen vermehrt die Fragen beantworten: bedeutet diese Vermittlung für uns eine Entlastung oder eine Belastung? Lohnt sich die Vermittlung für uns? Wenn schon nicht finanziell, dann wenigstens als Arbeitserleichterung?

Die Notwendigkeit Einsatzstellen/ Beschäftigungsgeber engmaschig zu betreuen, hat stark zugenommen. Die Einsatzstellen/ Beschäftigungsgeber sind wegen dem zunehmend schwierigen Klientel nicht mehr ohne weiteres bereit, diese zu beschäftigen.

Die Vermittlungsstellen sind also täglich nicht nur als Arbeitsvermittler tätig, sondern auch als Koordinatoren der verschiedenen Interessengruppen sowie begleitender Hilfsangebote. Die geeigneten Maßnahmen müssen gefunden und ermöglicht werden, die Kooperation mit der Strafverfolgungsbehörde in deren Auftrag wir tätig sind, muß eng sein.

Für jeden dieser Klienten müssen individuelle Lösungen gefunden werden.

Das erfordert Zeit: der Klient steht z.B. unter Druck wegen dem JobCenter, der drohenden Wohnungskündigung, der Kinderbesuchszeitenregelung, der geplanten Entgiftung.

Aber auch die Einsatzstellen/ Beschäftigungsgeber haben möglicherweise gerade keine Arbeit, der Ansprechpartner ist im Urlaub oder krank. Auch so etwas Banales wie die Wetterlage läßt oftmals eine Vermittlung in eine geeignete Einsatzstelle nicht zu.

Es erfordert aber auch gründliche Kenntnisse der Lage vor Ort: nämlich dem Ort, in dem der Klient lebt. Was ist dort möglich? Was geht nicht? Schleswig- Holstein als Flächenland stellt besondere Herausforderungen an die regionalen Kenntnisse der Vermittler.

Zudem ist die Geduld aller Akteure gefordert, denn die Ableistung kann sich aus den genannten Gründen nachvollziehbar verzögern.

Die Grenzen in der Vermittlung liegen nicht in den persönlichen Lebenssituationen der Klienten, sondern in deren akuten Krisen. Unserer Erfahrung nach ist (fast) alles möglich. Dazu sind jedoch situationsgerechte Absprachen notwendig. Zudem muß ein vertrauensvoller und seitens der Vermittlungsstellen belastbarer Kontakt hergestellt werden können.

Veränderte und konzentrierte Problemlagen haben zu ergänzenden Angeboten seitens der Vermittlungsstellen geführt.

Zwei Vermittlungsstellen in Schleswig- Holstein haben beispielhafte Arbeitsprojekte für Klienten mit einem erhöhten Betreuungsbedarf eingerichtet. Auch wird vermehrt aufsuchende Arbeit geleistet, um Klienten zu erreichen, die den Weg nicht zu den Vermittlungsstellen finden.

Während der gemeinnützigen Arbeit findet eine Begleitung der Klienten durch persönliche Kontakte statt, sowie eine Begleitung der Einsatzstellen/ Beschäftigungsgeber, die durch regelmäßige Kontakte während einer Vermittlung geleistet wird. Das bewirkt eine Entlastung der Einsatzstellen/ Beschäftigungsgeber durch Gespräche, die sich während der Nachfragen zum Verlauf der gemeinnützigen Arbeit ergeben.

Auch nach erfolgter Prüfung der Einbringlichkeit der Geldstrafe durch die Vollstreckungsbehörde und nach vorliegender Gestattung wird im Vermittlungsgespräch regelhaft hinterfragt, ob sich die Einkommensverhältnisse in der Zwischenzeit verändert haben. Ggfs. wird eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Staatsanwaltschaft erneut verhandelt.

Um Sprachbarrieren zu überwinden wurden in einem Landgerichtsbezirk Flyer entwickelt, die Information über die Möglichkeiten der gemeinnützigen Arbeit in verschiedenen Sprachen enthalten, die der Ladung zum Strafantritt beigefügt werden. In einem anderen Landgerichtsbezirk wird eine ähnliche Information schon seit Jahren der Ladung beigefügt.

Die Vermittlungsstellen erleben täglich, daß eine paßgenaue Vermittlung einen erstmaligen bzw. Widereinstieg in einen geregelten Alltag ermöglicht. Das Erleben von Tagesstruktur, Arbeits- und Erfolgserlebnissen wirken stabilisierend. Menschen erleben Wertschätzung. Soziale Kontakte werden aufgebaut und vertieft.

Trotz der schwierigen, weil komplexen Gemengelage der Klienten, bleibt jeder 6. Klient (ca. 17%)in der Einrichtung, in die wir ihn vermittelt haben „kleben“, d.h. Klienten verbleiben nach der erfolgreichen Ableistung in der Einsatzstelle.

Z.B. werden psychisch kranke Klienten gezielt zu einer/m Einsatzstelle/ Beschäftigungsgeber vermittelt, der gleichzeitig Anbieter psychosozialer Angebote ist. Durch die gemeinnützige Arbeit entstehen stabilisierende Kontakte, die es vorher noch nicht gegeben hat. So kann eine notwendige Bindung auch nach Abschluß der gemeinnützigen Arbeit erreicht werden.

Gerade bei jungerwachsenen Klienten ohne Ausbildung kann die gemeinnützige Arbeit als berufliche Orientierungshilfe dienen. Bei einem positiven Verlauf kann der Klient zum Abschluß auf Erfahrungen zurück blicken, die ihm eine berufliche Entscheidung erleichtern.

Bis zum 35. Lebensjahr können Klienten eine Ausbildung durch den Einsatz von Bildungsgutscheinen erwerben und haben dadurch in doppelter Hinsicht von der Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit profitiert.

Oft erfolgt auch eine Integration in eine Maßnahme zur Aktivierung und Eingliederung (1-€- Job), während der gemeinnützigen Arbeit.

Im Anschluß an die Vollstreckung der Geldstrafe findet sehr oft Bindung durch eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Einrichtung statt.

Bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage und Personalknappheit erfolgt eine Einstellung mit einem Mini- Job, in Teilzeit oder auch in Vollzeit. Die gemeinnützige Arbeit kann als kostenlose Probezeit für Einsatzstellen/ Beschäftigungsgeber verstanden werden.

Das sind Vermittlungserfolge, die sich unmittelbar auf die einzelnen Personen auswirken aber auch auf die Gesellschaft, denn hier findet Integration durch die gemeinnützige Arbeit statt. Die Vermittlungserfolge lassen sich zusätzlich noch in Euro berechnen, denn ersparte Hafttage sind ersparte Haftkosten!

Beim bundesweiten Vergleich der ersparten Hafttage werden in keinem Bundesland nur die sogenannten Hotelkosten für die Berechnung der ersparten Hafttage zu Grunde gelegt. Ersparte Hafttage gelten bundesweit als ersparte Haftkosten.

Die Vermittlungsstellen in Schleswig- Holstein haben durch ihre zeit – und betreuungs- intensive Arbeit in 2016 insgesamt 16430 Hafttage in Schleswig- Holstein erspart.

Laut statistischem Bundesamt werden in Baden Württemberg die Haftkosten pro Gefangenem und pro Tag mit 93 € bewertet, in Niedersachsen mit 119 €, in Berlin mit 129 € und in Schleswig- Holstein wird ein Hafttag mit 125 € bewertet.

Demnach wurde der Haushalt in Schleswig- Holstein durch 16.430 ersparte Hafttage um 2 Mio 053.750 Euro entlastet. Das hört sich gewaltig an und ist es auch!

Leider findet das keine Berücksichtigung bei der Finanzierung der Vermittlungsstellen.

Die Vermittlungsstellen in Schleswig- Holstein erleben gerade eine Aufrechnung ihrer eigenen Kosten in Relation zu den sinkenden Fallzahlen. Die vermehrten, zeitintensiven pädagogischen Interventionen gleichen das unseres Erachtens aus. Die durch die veränderten Fallzahlen gewonnene Zeit wird konstruktiv und kreativ von den Vermittlungsstellen genutzt, um bei besonders schwierigem Klientel unserem Vermittlungsauftrag nachzukommen. Das geschieht mit nachweislichem Erfolg.

Dennoch wurde den freien Trägern für 2018 eine Kürzung der Gelder angekündigt. Letztendlich dreht es sich immer um Geld. Sozialarbeit hin oder her.

Um in Zukunft weiterhin erfolgreich arbeiten zu können, formulieren die Vermittlungsstellen in Schleswig- Holstein die folgenden Forderungen:

  1. Alle Akteure (Vermittlungsstellen, Justizministerium, Staatsanwaltschaften, Landesverband) sind bereit, neu zu denken und sich im Kopf beweglich zu zeigen.

 

  1. Es gibt ein Aktionsbündnis mit der „Parole“, daß bis 2022 niemand mehr in Schleswig- Holstein wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe in Haft kommt, ohne vorher Kontakt zu einer Vermittlungsstelle gehabt zu haben.

 

  1. Es gibt ein Übergangsmanagement, das vor die Haft geschaltet ist.

 

  1. Die Vermittlungsstellen bekommen ein landesweit einheitliches Dokumentationssystem.

 

  1. Es gibt eine Kooperation zwischen den Maßnahmen der Vollzuganstalten und Vermittlungsstellen.

 

  1. Auch pädagogische Maßnahmen können als gemeinnützige Arbeit anerkannt werden, ähnlich zu „Therapie statt Strafe“ (Beispiel Anerkennung von Anti- Aggressionstraining / soziales Kompetenztraining als gemeinnützige Arbeit).

 

  1. Es gibt Kooperationsverträge mit Einsatzstellen/ Beschäftigungsgeber, ggfs. Entgelt.

Abschließend steht die Forderung, daß die Geldstrafenvollstreckung den Platz in der Strafjustiz bekommt, der ihr zusteht. Die steigenden Zahlen der verhängten Geldstrafen und die steigende Problemlage der Klienten sprechen für sich.

 

Quellenangaben:Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.6; Statistikamt Nord;Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Abt. -II 244; Nicole Bögelein: Deutungsmuster von Strafe, Springer Fachmedien